City of Gedöns…..

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Unesco-Ehrung

Citys of Gedöns

Mit Heidelberg, Mannheim und Hannover werden drei deutsche Städte von der Unesco für Exzellenz geehrt. Das ist eine super Idee, doch bleibt noch eine Frage offen: Was soll das?
FAZ 02.12.2014, von Andreas Platthaus
Acht Tage Heidelberg, und Victor Hugo war euphorisiert. Im 1842 erschienenen Buch „Le Rhin“ jubelte der Schriftsteller über seinen Besuch: „Denn man sollte nicht durch Heidelberg fahren, man sollte sich hier aufhalten, man müsste hier leben.“ Notabene: leben. Nicht lesen. In Heidelberg lebt es sich wunderbar (abseits der Hauptstraße), aber liest es sich dort auch entsprechend? Oder anders gefragt: Liest es sich dort ebenso gut wie in Edinburgh, Melbourne, Iowa City, Dublin, Reykjavík oder Krakau?
Das sind die Städte, die bislang den Titel „Unesco City of Literature“ trugen, und seit dieser Woche ist Heidelberg mit dabei. Natürlich hat man da sofort zahllose literarische Assoziationen: Bibliotheca Palatina, Romantik, „The Student Prince“, Mark Twain, Ralph Dutli oder eben Victor Hugo. Das müsste doch lässig reichen für den Titel. Tut es aber nicht, die Unesco will viel mehr, wenn sie schon kein Geld gibt. Seit 2004 existiert das „Creative Cities Network“ der Organisation, das – so die Ausschreibung – „weltweit Städte vernetzt, die Erfahrungen, Strategien, Ideen und modellhafte Praxis im Bereich zeitgenössischer Kunst und Kultur, einschließlich der Kulturwirtschaft, austauschen wollen“.Nun, welche Kommune wollte das nicht? Aber nicht jede ist berufen, nur veritable „Exzellenz-Zentren“ finden Gnade vor den Augen der Unesco-Gutachter. Das erinnert terminologisch verdächtig an das im Rahmen des Bologna-Prozesses 2005 installierte Förderprogramm der Bundesregierung für Universitäten, das zu unendlich großem bürokratischem Aufwand geführt hat, um punktuell Forschung und Lehre zu fördern, die man mit den aufgewendeten Mitteln und Mühen in der Breite leichter, schneller und besser verteilt hinbekommen hätte (immerhin schüttet die Bundesregierung wenigstens Geld an die Gewinner aus). Heidelberg hatte bei seiner Bewerbung denn auch gar keine deutsche Konkurrenz zu fürchten, etwa durch Städte wie Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main, Lübeck, München oder Köln, die vielleicht gar noch ein paar literarische Assoziationen mehr geboten hätten.
Geschweige denn von Orten wie Wolfenbüttel, Marbach oder Weimar. Wobei Weimar es vorzog, sich bei der Unesco um den Titel „City of Media Arts“ zu bewerben. Wozu sollte man sich auch aufs Bewährte verlassen? Wer Exzellenz-Zentrum sein will, darf nicht auf Exzellenzen von anno dunnemals setzen! Pech nur, dass die Weimarer Bewerbung für Medienkünste scheiterte, während nun Leser aus aller Welt auf dem Flug von Melbourne nach Iowa City in Heidelberg zwischenlanden werden. Zumal es von dort nicht weit ist nach Mannheim, das nun auch Unesco-City ist. Wie das? Hatte doch Victor Hugo seine anfangs zitierte Heidelberg-Lese-, pardon: Lebensempfehlung so fortgesetzt: „Das würde ich Ihnen sicher nicht im Hinblick auf diese Art von falschem pfälzischem Versailles raten, das man Mannheim nennt, diese fade Stadt, deren Straßen rechtwinklig in einen Gipsblock geschnitten zu sein scheinen.“
Doch er wusste auch: „Die größten Dichter Deutschlands sind seine Musiker“, und so darf Mannheim noch stolzer als Heidelberg sein, denn es ist fortan Unesco City of Music. Und in dieser Kategorie gab es durchaus deutsche Konkurrenz. Nein, auch diesmal nicht Leipzig oder Berlin, nicht Donaueschingen, Dresden, Bonn, Darmstadt, sondern Hannover. Die Stadt der Scorpions. Gegen die Stadt von Xavier Naidoo. Da fällt die Wahl schwer, also wurden nun gleich beide Städte geehrt. In Paris übrigens, wo die Unesco ihren Sitz hat. Von Bewerbungen der französischen Hauptstadt um einen der Unesco-Titel (es gibt sie auch noch für Kino, Folklore, Design und Gastronomie) hat man nichts gehört. Victor Hugo lebte, las und starb dort.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/unesco-ehrung-citys-of-gedoens-13298536.html
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