Dr. Annette Trabold, FDP,
(es gilt das gesprochene Wort, daher kleine mündliche Abweichungen bei der gehaltenen Rede)
Ich werde gegen den Verkauf stimmen, denn heute ist ein trüber Tag für die politische Kultur in unserer Stadt und auch ein trüber Tag, so wie das Wetter, für die Kultur allgemein in unserer Stadt.
Ich habe in meiner langjährigen Gemeinderatstätigkeit bisher noch nie so hautnah erlebt, wie ein mit großer Mehrheit (und 22:17 ist für Heidelberger Verhältnisse eine große Mehrheit) gefasster Gemeinderatsbeschluss von Seiten des damaligen Baudezernenten und einiger Verwaltungsmitarbeiter von Anfang an unterlaufen wurde.
Besonders empörend ist dabei, dass dies bereits am 25.Juli 2007 – also am Beschlusstag noch in der gleichen Gemeinderatssitzung – von Seiten der persönlichen Referentin des Oberbürgermeisters dem unterlegenen Investor Kraus – leider hörbar für gemeinderätliche Ohren – angekündigt wurde.
Dort sagte nämlich Frau Huber Herrn Kraus, dass er noch nicht aus dem Rennen sei, dass die Sache sich eh´ nicht tragen werde, dass man neu ausschreiben werde und Herr Kraus dann den Zuschlag erhalten werde.
Der Gemeinderat ist noch nie so plump und mit Ansage über den Tisch gezogen worden und ich frage Sie, ob Sie sich das wirklich bieten lassen wollen..
Mit diesem Versprechen der persönlichen Referentin im Ohr, wundert man sich nicht mehr, dass nur noch ein Bieter – nämlich Herr Kraus – übrig bleibt.
Man wundert sich auch nicht, wenn man sich die Mühe gemacht hat, mit Weidenhammers, die den Zuschlag am 25.7. für das Kulturkonzept erhielten, und mit Herrn Hoepfner, der nach der europaweiten Ausschreibung noch im Rennen war, einmal darüber zu sprechen, wie die Gespräche in der Verwaltung so abgelaufen sind. Ich habe mir die Mühe gemacht. Das vornehm formulierte Fazit: Die Verantwortlichen schienen kein Interesse an Ihnen, den Investoren, zu haben. Ja, man fühlte sich als Investor wie ein Bittsteller behandelt, so die wörtliche Aussage. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass beide Investoren in Sachen Parkplätze (also Stellplatzverpflichtungen) im Unklaren gelassen wurden und wechselnde Auskünfte erhielten. Man forderte von Herrn Hoepfner sogar seitens der Verwaltung, eine Tiefgarage unter das Herrenbad zu bauen. Die Stellplatzfrage scheint aber heute auf einmal kein Thema mehr zu sein. Die Tatsache, dass sich Weidenhammers nicht genug von der Verwaltung unterstützt fühlten, führte auch dazu, dass sie sich nach der europaweiten Ausschreibung nicht mehr bewarben und ist nach ihrer Pressekonferenz in der Presse auch so nachzulesen oder im Radio zu hören gewesen(z.B. Mannheimer Morgen, 11.4.08: Als Gründe für den Verzicht führten sie deutlich höhere Sanierungskosten und mangelnde Unterstützung von Seiten der Verwaltung an.) Da verrate ich kein Geheimnis.
Heute ist auch ein trüber, ja schwarzer Tag für die Kultur, weil der Gemeinderat ohne Not Heidelbergs besten Kammermusiksaal – das Herrenbad – einem vagen Marktkonzept opfern will. Und auch Herr Kraus stellt am 13.8.08 in der RNZ fest: „Das Herrenbad ist als Markthalle zu klein“. Na prima, das sage ich seit zwei Jahren!
Dass dies der beste Kammermusiksaal der Stadt ist, kann man auch in vielen Rezensionen der letzten Monate der RNZ im Feuilleton nachlesen. Das ist nicht nur meine Meinung. Das Konzept von „aHa“ wurde in der Sparte Off-Theater im Fachmagazin „deutsche Bühne“ schon zum zweiten Mal gewürdigt – insbesondere wegen der internationalen Ausstrahlung. (vgl. RNZ, 2./3.8.2008). Es ist doch grotesk, dass wir 50.000 Euro für ein Gutachten von Roland Berger ausgeben, wie wir Kreative in unsere Stadt bringen und dort halten können, und auf der anderen Seite einen idealen Raum für Kreative dieser Stadt zu einer Markthalle machen wollen. Diese Argumente zählen hier aber nicht, man will es ja gar nicht wissen. Man unterliegt ja auch dem Irrglauben, dass eine dringend notwendig gewordene Theatersanierung schon ein Beitrag zur Kulturpolitik sei.
Meine Damen und Herren, zum vorgelegten Konzept selbst: Das steht auf so morschem Fundament wie der Keller des Hallenbades selbst. Zum ersten Mal nach langer Zeit wurde von Weidenhammers eine Untersuchung der Bausubstanz in Auftrag gegeben, die den tatsächlichen Zustand zutage förderte. So wären ja schon bei einer behutsamen Sanierung des Damen- und des Herrenbades ca. 10 Millionen Euro zu investieren gewesen. Bei einer funktionalen Veränderung mit Abzugshauben für Gastronomie, Lüftung, Abwasser etc., wäre der Betrag wesentlich höher. Auch ist die Nutzung der Kellerräume, aber auch besonders die Nutzung des Dachgeschosses sehr problematisch und eigentlich nicht machbar.
– Ich frage mich auch: Liegt eine Zusage des Kooperationspartners „Naturfabrik“ vor, wie soll sich das Konzept neben dem in der Nähe liegenden Füllhorn, Alnatura und Aldi mit Bioabteilung bewähren?
– Stimmt es, was ich gehört habe, dass der vorgesehene Betreiber für die Gastronomie abgesagt hat, weil er keine 16 Euro anstelle von 10 Euro pro Quadratmeter Miete zahlen möchte/kann?
– Wir kämpfen um das Überleben der Wochenmärkte in unseren Stadtteilen, wie soll sich eine Markthalle in Bergheim tragen?
– Wie aktuell ist angesichts der Bankenkrise die vorgelegte Bankbürgschaft?
Ich stelle daher den Antrag, dass – im Falle des Verkaufs an den Bewerber – dem Finanzausschuss der Kaufvertrag vor Abschluss nochmals vorgelegt wird.
All die Fakten machen deutlich: Der Gemeinderat ist dabei, ein Filetgrundstück in Bergheim, im Zentrum der Stadt, für 360.000 Euro netto zu verkaufen in vollem Bewusstsein, dass das Konzept so wie vorgelegt nicht realisierbar ist. Der Gemeinderat hat im Übrigen die europaweite Ausschreibung auch deshalb gemacht, weil dort die kulturelle Nutzung des historisch wertvollen Jugendstilbades festgelegt werden sollte. Davon ist nun nichts mehr übrig. Worauf das nun letztendlich hinausläuft, ist abzusehen…..
Im Übrigen möchte ich auch darauf hinweisen, dass nach meinen Informationen auch kein „Rechtsanspruch“ des Bewerbers auf Zuschlagserteilung besteht, wie in der Vorlage der Stadt Seite 3.4. geschrieben. Vielmehr ist die Sache so:
Es gibt eine EuGH – Entscheidung vom 16.9.99 (C 27/98), nach der bei einem einzigen Bieter die europarechtlichen Normen keinen Anspruch auf Zuschlag gewähren. Gleiches gilt auch für das nationale Recht (Kapellmann/Messerschmidt, § 28 VOB/A, Rn. 12 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Zuschlag aus dem Vergabeverfahren, jedoch einen Anspruch auf ordnungsgemäßen ABSCHLUSS des Vergabeverfahrens.
Bei nur einem Bewerber bedeutet dies tatsächlich entweder Vergabe an den einen Bewerber, oder aber Aufhebung des Vergabeverfahrens.
Da für die Aufhebung vorliegend wohl keine Gründe existieren, käme bei einer Aufhebung (also einer Nicht-Vergabe) ein Schadenersatzanspruch des Bewerbers in Betracht.
Ergo: die Stadt hätte formulieren müssen: Es gibt einen Anspruch des Bewerbers auf ordentlichen Verfahrensabschluss, da die Stadt/Gemeinderat mit der Ausschreibung sich für ein spezielles Verfahren „entschieden“ hat, an dessen Regeln sie/er sich generell halten muss.
Daraus muss die „Empfehlung“ resultieren mit „Ja“ zu stimmen, da anderenfalls Schadenersatz (Kosten f. die Bewerbung und entgangener Gewinn des Bewerbers) mit Sicherheit zu leisten wäre.
Ein Rechtsanspruch auf Zuschlag besteht also nicht, also verhält man sich auch nicht ungesetzlich, wenn man mit „Nein“ stimmt. Folge einer GR-Ablehnung wäre dann nur ein Schadensersatz-Anspruch des Bieters.
Scheuen Sie sich also daher nicht, mit NEIN zu stimmen.
Zum Thema „Alternativen“ möchte ich noch etwas bemerken, da ja immer gesagt wird, es existierten keine Alternativen:
Ich habe am 03.8.08 einen Brief an den Oberbürgermeister geschrieben, in dem ich einen Kompromissvorschlag für die Interessen des verbliebenen Investors und den Erhalt des Herrenbads als städtischen Kulturort unterbreitet habe. Soweit mir bekannt, gibt es nämlich künftig Landesmittel zur Sanierung von Kleintheatern. Da hätte man vielleicht eine Kombination als Kompromiss vorsehen können. Auf diesen Brief erhielt ich am 25.08. ein von einem Mitarbeiter des Liegenschaftsamtes verfasstes Schreiben, unterzeichnet vom Ersten Bürgermeister, das leider auf meinen Vorschlag nicht eingeht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
stimmen Sie aus den dargelegten Gründen mit „Nein“.